Kinderschutz oder Überwachung? EU-Chatkontrolle vorerst gestoppt
Die ursprünglich für 14. Oktober 2025 geplante Abstimmung im EU-Rat über die sogenannte „Chatkontrolle“ wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Kritiker sehen dies als Erfolg des öffentlichen und politischen Widerstands gegen die umstrittene Verordnung. Gleichzeitig bleibt die Frage offen, ob Deutschland seiner angekündigten Ablehnung treu bleiben wird – oder erneut ein politischer Umfaller erfolgt, wie es in der Vergangenheit bei entscheidenden EU-Abstimmungen schon mehrfach beobachtet wurde.
Kinderschutz als Vorwand für Massenüberwachung
Die Verordnung hätte Messenger-Dienste verpflichtet, private Nachrichten automatisiert auf kinderpornografische Inhalte zu prüfen. Experten warnen jedoch, dass dies flächendeckende Überwachung und die Aufweichung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bedeutet hätte. Datenschützer kritisieren, dass der angebliche Kinderschutz als Vorwand dienen könnte, um die Technologie später gegen politische Gegner oder „unerwünschte Inhalte“ einzusetzen.
Juristische Bedenken und Grundrechtsverletzungen
Der Juristische Dienst des EU-Rates sowie unabhängige Datenschützer wiesen auf klare Verstöße gegen die Grundrechtecharta der EU und die Europäische Menschenrechtskonvention hin. FPÖ-EU-Abgeordnete Petra Steger bezeichnete das Vorhaben als „beispiellosen Angriff auf Grund- und Freiheitsrechte“ und kündigte an, weiterhin dagegen zu kämpfen. Auch deutsche Politikerinnen wie Justizministerin Stefanie Hubig betonen, dass anlasslose Kontrolle privater Kommunikation in einem Rechtsstaat tabu sei.
Politischer Druck und opportunistische Wendungen
In Deutschland wuchs der Druck auf die schwarz-rote Koalition angesichts sinkender Umfragewerte und bevorstehender Landtagswahlen. Beobachter sehen die angekündigte Ablehnung der Verordnung teils als politische Schadensbegrenzung, da CDU und SPD in der Vergangenheit kaum Skrupel hatten, Bürgerrechte in Krisenzeiten zu beschneiden. Die dänische Ratspräsidentschaft hatte zuletzt versucht, einen Kompromiss zu finden, doch ohne klare deutsche Zustimmung bleibt eine Annahme der Verordnung unwahrscheinlich.
Debatte über digitale Grundrechte bleibt aktuell
Mit der unbestimmten Verschiebung der Abstimmung gilt die Chatkontrolle vorerst als gescheitert. Dennoch bleibt die Diskussion über digitale Grundrechte, die Grenzen staatlicher Kontrolle und den Schutz verschlüsselter Kommunikation hochaktuell. Das Scheitern der Verordnung zeigt, dass öffentlicher Protest und politischer Druck Wirkung entfalten können – vorausgesetzt, die angekündigten Positionen werden auch tatsächlich gehalten.