„Schweine-Land“-Eklat - Der Brandstätter-Skandal und die Krise der politischen Kommunikation

Als der NEOS-Abgeordnete Helmut Brandstätter auf X (vormals Twitter) die Vereinigten Staaten von Amerika als „Schweine-Land“ bezeichnete, löste er weit mehr aus als nur einen kurzen medialen Aufreger. Der Fall entwickelte sich innerhalb weniger Stunden zur internationalen Peinlichkeit – inklusive einer offiziellen Reaktion aus Washington. Die Episode steht sinnbildlich für eine politische Kultur, die zunehmend entgleitet.

Der Auslöser: Ein Tweet, der Österreich in Erklärungsnot bringt

Brandstätter (NEOS), sonst als Kommentator und ehemaliger Chefredakteur der Kurier-Zeitung bekannt, wollte mit seiner Wortwahl angeblich auf die Entwicklungen rund um die Plattform X und deren Konflikt mit europäischen Regulierungsbehörden aufmerksam machen. Heraus kam stattdessen eine pauschale Herabwürdigung eines ganzen Landes – formuliert in einer Weise, die man sonst eher aus Troll-Accounts oder hitzigen Stammtischrunden kennt.

Dass eine US-Staatssekretärin darauf reagierte, verwundert wenig: Wenn ein EU-Abgeordneter, der in internationalen Ausschüssen sitzt, ein befreundetes westliches Land in dieser Form beleidigt, ist das diplomatisch kaum anders möglich. Österreich wurde über Nacht zu einem Gesprächsthema, das man sich nicht wünscht.

Zwischen Verantwortung und Respektlosigkeit

Politische Kritik ist legitim – in einer Demokratie sogar notwendig. Doch Brandstätters Form fiel nicht unter Kritik, sondern unter Diffamierung. Ein Abgeordneter, der im Namen Österreichs in europäischen Gremien sitzt, trägt Verantwortung: Er soll Brücken bauen, nicht einreißen; Debatten versachlichen, nicht vergiften; Kritik üben, nicht beschimpfen.

Der Unterschied zwischen politischem Protest und schlichtem Fehlverhalten liegt hier klar offen: Die Wortwahl war weder clever noch ironisch noch strategisch – sie war schlicht entgleist.

Wie reagiert Österreichs Politik? Leider kaum.

Auffallend ist weniger Brandstätters Ausbruch selbst, sondern die Konsequenzen – oder vielmehr deren Abwesenheit.
Besonders irritierend: Ausgerechnet die NEOS-Außenministerin, deren Ressort für internationale Beziehungen, bilaterale Partnerschaften und außenpolitische Reputation verantwortlich ist, äußerte sich zunächst nicht klar zu dem Vorfall. Dabei wäre gerade ihr Amt verpflichtet, unmissverständlich klarzustellen, dass persönliche Ausrutscher eines Parteikollegen nicht die Haltung Österreichs widerspiegeln.

Weder die NEOS-Parteiführung noch die Bundesregierung setzen klare Signale. Kein Ausschluss, keine Disziplinarmaßnahme, keine deutliche Distanzierung. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, sonst bei moralischen Fragen oft schnell mit Kommentaren zur Stelle, blieb bisher stumm.

Dieses Schweigen wirkt wie ein politischer Reflex, der in Österreich zur Tradition geworden ist: Erst einmal abwarten, ob sich der Sturm nicht von selbst legt. Doch diese Zurückhaltung sendet ein fatales Signal – nämlich, dass beleidigendes Verhalten im hohen Amt folgenlos bleibt, solange es politisch unbequem wäre, Konsequenzen zu ziehen.

Ein Symptom für einen tieferen Riss im politischen Stil

Der Vorfall zeigt: Österreichs politische Kultur wandelt sich. Die Grenzen des Sagbaren verschieben sich – allerdings nicht nach oben, sondern nach unten. Aggressive Sprache, persönliche Angriffe, Polarisierung und verbale Entgleisungen finden nicht mehr nur am Rand statt, sondern zunehmend in der Mitte des politischen Spektrums.

Wenn hochrangige Politiker beginnen, den Ton sozialer Medien zu imitieren, anstatt ihn zu zähmen, dann verliert nicht nur die Debatte an Qualität – auch das Vertrauen in die Institutionen leidet. Wer soll Diplomatie ernst nehmen, wenn Vertreter des Parlaments selbst diplomatische Grundlagen missachten?

Was bleibt – und was passieren müsste

Brandstätters Äußerung ist weniger ein isolierter Ausrutscher als vielmehr ein Beispiel dafür, wie brüchig die politische Kultur geworden ist. Sie zeigt, dass selbst Volksvertreter nicht mehr automatisch zwischen persönlicher Empörung und politischer Verantwortung unterscheiden.

Was es nun braucht, ist eine klare politische Linie:

  • eine öffentliche Entschuldigung,

  • eine deutliche Distanzierung seiner Partei,

  • und eine Aufarbeitung der Frage, wie Politiker soziale Medien nutzen sollten, ohne das Land, das sie vertreten, in Misskredit zu bringen.

Ob diese Schritte erfolgen, bleibt fraglich. Doch eines steht fest: Wenn Österreich künftig ernst genommen werden will – innenpolitisch wie außenpolitisch – muss es auch intern wieder Ernst machen mit Stil, Respekt und politischer Reife.

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