Russland verbietet Deutsche Welle – und der lange Schatten der Medienkonflikte zwischen EU und Russland

In einem neuen Kapitel des anhaltenden Medienkonflikts zwischen Russland und dem Westen hat die russische Generalstaatsanwaltschaft den deutschen Auslandssender Deutsche Welle (DW) offiziell als „unerwünschte Organisation“ eingestuft. Für russische Bürger bedeutet das, dass jede Kooperation mit DW oder das Verbreiten ihrer Inhalte strafbar werden kann – mit Geldstrafe oder sogar Haft. Diese Entscheidung verstärkt nicht nur die bereits bestehende Blockade von DW‑Inhalten in Russland, sondern wirft auch Fragen zur gegenseitigen Medienkontrolle und zur Doppelmoral im Umgang mit Pressefreiheit auf.

Der Kontext: EU‑Sanktionen gegen russische Medien seit 2022

Die aktuellen Maßnahmen Russlands stehen nicht isoliert. Bereits im März 2022, kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, verhängte der Rat der Europäischen Union Sanktionen, die die Übertragung und Verbreitung russischer Staatsmedien in der EU untersagten. Betroffen waren dabei:

  • RT / Russia Today (inkl. RT English, RT UK, RT Germany, RT France, RT Spanish)

  • Sputnik
    – und später weitere staatliche Sender wie Rossiya RTR / RTR Planeta, Rossiya 24 (Russia 24) und TV Centre International.

Die Entscheidung der EU war offiziell als Reaktion auf die als Desinformation und Propaganda eingestufte Berichterstattung dieser Sender im Kontext des Krieges gedacht. Sie sollten – so die offizielle Begründung – bis zum Ende der Aggression und dem Stop der Desinformationskampagnen Russlands nicht mehr in der EU senden.

Reaktionen und aktuelle Eskalation

Moskau kritisierte die EU‑Maßnahmen von Anfang an scharf und nannte sie eine Form der Zensur. In der Folge blockierte Russland seinerseits zahlreiche westliche Medienanbieter und Websites im Land, darunter auch DW seit 2022 und – nun – zusätzlich den Sender als „unerwünschte Organisation“.

Während die Europäische Union die russischen Sender als Teil eines Desinformationssystems einstuft, sehen viele Beobachter die russische Reaktion als Spiegelmaßnahme. Russland argumentiert, dass das eigene Vorgehen eine Antwort auf die EU‑Blockaden sei – und nicht ein isoliertes Verbot.

Doppelmoral oder gerechtfertigter Schutz vor Propaganda?

Diese Polarisierung wirft eine zentrale Frage auf: Wenn eine Medienblockade durch die EU als legitim betrachtet wird, warum gilt sie als inakzeptabel, wenn Russland sie anwendet?

Kritiker sehen hier eine Doppelmoral: Maßnahmen zur Informationskontrolle werden politisch unterschiedlich gewertet, je nachdem, wer sie ergreift. Die EU‑Sanktionen gegen russische Sender werden in vielen westlichen Medien kaum als Einschränkung der Pressefreiheit problematisiert, während ähnliche Maßnahmen Russlands sofort als repressiv kritisiert werden.

Eine Debatte über Medienfreiheit im 21. Jahrhundert

Der Konflikt zeigt, wie stark Medien heute zu einem strategischen Instrument der internationalen Politik geworden sind. Informationskontrolle, Narrative und Zugang zu Nachrichten sind längst zentrale Elemente geopolitischer Auseinandersetzungen – und nicht nur technische oder rechtliche Fragen.

Für Journalistenverbände und Medienexperten bleibt eine Frage zentral: Wie lässt sich unabhängiger Journalismus schützen, wenn Staaten – ob EU‑Mitglied oder Russland – ihn im Zuge politischer Konflikte immer stärker regulieren oder beschränken?

Nur eine konsequente Anwendung gleicher Maßstäbe für alle Seiten könnte laut einigen Beobachtern dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit der Freiheit der Presse als universelles Prinzip zu wahren – und nicht als politisches Instrument, das je nach Lage unterschiedlich interpretiert wird.

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