Von der Leyen vor Misstrauensvotum: Entscheidung am Donnerstag
Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, sieht sich im Europäischen Parlament einem Misstrauensvotum gegenüber.
Initiative mit breiter Unterstützung
Der Antrag wurde vom rumänischen Abgeordneten Gheorghe Piperea eingebracht, der dafür 79 Unterschriften gesammelt hat – mehr als die erforderlichen 72.
Bild-Quelle: European Union 2024 - Source : EP
Kritik an Impfstoffbeschaffung bleibt bestehen
Im Zentrum der Kritik steht weiterhin der Umgang von der Leyens mit der Impfstoffbeschaffung während der Corona-Pandemie. 2021 hatte sie mit dem Pfizer-Chef Albert Bourla die Lieferung von 900 Millionen Dosen vereinbart – ohne Ausschreibung, informell per SMS und Anrufen. Eine in Brüssel höchst ungewöhnliche Vorgehensweise.
Kosten nach wie vor unklar
Bis heute ist unbekannt, wie viel Steuergeld aus der EU für diesen Deal aufgewendet wurde. Es wird vermutet, dass die Kosten sich auf 35 Milliarden (!) Euro belaufen – eine Summe im Milliardenbereich.
Trotz wiederholter Nachfragen durch Medien und Parlamentarier sind grundlegende Informationen zu den Verträgen, wie Lieferbedingungen oder Haftungsfragen bei Nebenwirkungen, bislang nicht veröffentlicht worden.
„Notwendiger Schritt für Demokratie“
Ein Urteil eines EU-Gerichts im Mai stellte fest, dass die Kommission keine ausreichende Begründung dafür geliefert habe, warum sie die Informationen zurückhält. Doch Konsequenzen blieben erneut aus. Piperea sammelte daher Unterschriften für ein Misstrauensvotum.
Der Politiker der rechten Partei „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ sprach von einem „notwendigen Schritt, um zu den Grundlagen der Demokratie zurückzukehren“ und warf der Kommission außerdem vor, Zuständigkeiten von Mitgliedstaaten und Parlament zunehmend an sich zu reißen.
Weitere Vorwürfe: Rüstungspaket und NGO-Förderung
Neben der Impfstofffrage kritisieren die Antragsteller auch ein milliardenschweres Rüstungsvorhaben, das ohne Beteiligung des Parlaments beschlossen worden sei. Ebenso steht die finanzielle Unterstützung zahlreicher – überwiegend linker – NGOs mit EU-Mitteln zur Debatte. Die Kommission habe demnach Organisationen gefördert, die sich gegen Kohle, Atomkraft und bestimmte Handelsabkommen aussprechen – ohne dem Parlament ausreichend Rechenschaft abzulegen.
Von Beginn an umstritten
Von der Leyen wurde 2019 auf Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der damaligen deutschen Kanzlerin Angela Merkel an die Spitze der Kommission gesetzt – ohne vorher als Spitzenkandidatin zur EU-Wahl anzutreten. Bei ihrer Wiederwahl im Juli 2024 erhielt sie 401 von 719 Stimmen. Ihre Mehrheit stützte sich auf die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch die ÖVP zählt, sowie auf Sozialdemokraten (SPÖ), Liberale (Neos) und Grüne. Einzig die FPÖ-Abgeordneten lehnten sie geschlossen ab.
Geringe Erfolgsaussichten
Für ein erfolgreiches Misstrauensvotum wäre eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig – angesichts der angekündigten Ablehnung durch EVP und Sozialdemokraten gilt dies als nahezu ausgeschlossen.
Dennoch hat das Verfahren eine starke symbolische Bedeutung. Erstmals wird öffentlich debattiert, wie demokratisch legitimiert die Machtfülle der Kommission tatsächlich ist. Schon 2013 hatte der frühere Parlamentspräsident Martin Schulz erklärt, die EU würde sich selbst nicht als Mitglied aufnehmen, weil sie ihre eigenen demokratischen Standards verfehle.
Von der Leyen weist Kritik zurück
Im Parlament verteidigte sich von der Leyen entschieden gegen die Anschuldigungen: „Es sind einfach Lügen“, sagte sie in Bezug auf die Impfstoffverträge. Jeder Vertrag sei den Mitgliedstaaten offengelegt worden – inklusive Mengen und Preisen. Sie warf den Antragstellern vor, „Elemente aus dem ältesten Rezeptbuch der Extremisten“ zu nutzen, um das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben und die Gesellschaft zu spalten. Den Vorwurf, sie habe Einfluss auf die rumänische Präsidentschaftswahl genommen, nannte sie „haltlos“.
Mitte-Parteien stellen sich hinter Kommissionspräsidentin
Trotz wachsender Kritik aus Reihen von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen bleibt die Mehrheit des Parlaments auf ihrer Seite. Einige Abgeordnete warnten, ein Sturz der Kommission würde lediglich rechten Kräften in die Hände spielen und Europa destabilisieren – oder „die derzeitigen Mandate von ihren Futtertrögen vertreiben“.
Die grüne Abgeordnete Terry Reintke forderte die EVP auf, sich klar zur Zusammenarbeit mit der demokratischen Mitte zu bekennen und sich von rechtsextremen Kräften zu distanzieren. EVP-Fraktionschef Manfred Weber sprach von einem „politischen Spiel“ von „Putin-Freunden“ und warnte vor einer Gefährdung der europäischen Stabilität.
Signalwirkung trotz klarer Mehrheitsverhältnisse
Die Abstimmung über das Misstrauensvotum ist für Donnerstag angesetzt. Sollte es tatsächlich angenommen werden, müsste die gesamte EU-Kommission zurücktreten – ein beispielloser Vorgang. Auch wenn ein Erfolg als sehr unwahrscheinlich gilt, erwarten Beobachter, dass die Debatte das Vertrauen in die EU-Institutionen und deren zukünftige Ausrichtung beeinflussen wird.